Kernaussage: Um komplexe Probleme lösen zu können, benötigen wir Fachwissen, einen Möglichkeitssinn und logisches Denkvermögen.
Ich habe ein Problem, wenn ich mit einer Ausgangssituation (der aktuellen Situation) unzufrieden bin, aber im Moment nicht in der Lage bin, eine gewünschte Zielsituation zu erreichen. Es kann sein, dass ich nicht weiß, wie das Ziel aussieht, oder dass die Mittel zur Zielerreichung unbekannt sind oder dass auf dem Weg zum Ziel ein Hindernis überwunden werden muss (z.B. können die erforderlichen Mittel bekannt, aber nicht verfügbar sein). Eine Problemlösung hat also vier Hauptelemente: die Ausgangssituation, das Hindernis, das Ziel und die Methode, die zum Ziel führen soll.
"Ein Problem tritt auf, wenn ein Problemlöser ein Ziel hat, aber zunächst nicht weiß, wie er das Ziel erreichen kann. Diese Definition besteht aus drei Teilen: (1) der gegenwärtige Zustand - die Probleme beginnen in einem gegebenen Zustand; (2) der Zielzustand - der Problemlöser möchte, dass das Problem in einem anderen Zustand ist und Problemlösen ist erforderlich, um das Problem vom gegenwärtigen (oder gegebenen) Zustand in den Zielzustand zu transformieren, und (3) Hindernisse - der Problemlöser kennt nicht die richtige Lösung und eine effektive Lösungsmethode ist für den Problemlöser nicht offensichtlich." (https://education.stateuniversity.com/pages/2168/Learning-PROBLEM-SOLVING.html, 24.01.20)
Um ein Problem zu lösen, müssen immer drei Hauptschritte durchgeführt werden:
(Lindemann, U. (2009). Methodische Entwicklung technischer Produkte. Heidelberg: Springer, S. 46)
Bei einfachen Problemen durchlaufen wir diesen Prozess ziemlich schnell: Wir wollen ein Ziel erreichen, wissen aber nicht wie. Wir erkennen dies als Problem und versuchen, es zu verstehen. Wir schätzen ab, wie viel Zeit wir haben, um das Ziel zu erreichen und legen fest, wie optimal unsere Problemlösung sein soll. Auf der Grundlage unseres vorhandenen Wissens entwickeln wir Ideen zur Lösung des Problems. Wir überlegen, wie diese Ideen umgesetzt werden könnten. Dann wählen wir die beste Idee und ihre Umsetzung aus und wenden sie an. Wir prüfeb, ob wir unser Ziel in der gewünschten Qualität erreicht haben.
Bei schwierigen (komplexen) Problemen ist das Ausführen der Prozesschritte nicht so leicht. Hier die Erklärungen für jeden Schritt des Problemlösungsprozesses:
Viele Probleme sind sehr schwer oder unmöglich zu lösen, weil sie nicht rechtzeitig erkannt wurden.
"Die Fähigkeit, Probleme in einem frühen Stadium zu erkennen, kann zu einem rechtzeitigen und wirksamen Eingreifen führen. Umgekehrt kann das Versäumnis, Probleme frühzeitig zu erkennen, zu Unfällen und Leistungseinbrüchen führen, wenn erst dann Maßnahmen eingeleitet werden, wenn sich die Situation so weit verschlechtert hat, dass eine Wiederherstellung unmöglich ist." (Klein, G., Pliske, R. Crandall, B., & Woods, D. D. (2005). Problem detection. Cognition, Technology & Work 7(1), S. 14)
Probleme zu erkennen ist auch eine Chance, neue Ziele zu setzen und zu erreichen.
„In künstlichen kognitiven Systemen erfüllen Ziele ähnliche Funktionen wie beim Menschen. ... Autonomie beinhaltet nicht nur die Fähigkeit, vorgegebene Ziele zu erreichen, sondern auch die Fähigkeit, neue Probleme zu erkennen und lohnende Ziele vorzuschlagen. ... Sowohl Chancen als auch Bedrohungen in der Welt erfordern, dass ein Agent Ereignisse im Kontext seiner Interessen antizipiert."(Cox, M. T. (2013). Goal-Driven Autonomy and Question-Based Problem Recognition. In Poster Collection. Palo Alto, CA: Cognitive Systems Foundation. http://mcox.org, 29.08.21, S. 2)
Es gibt zwei Möglichkeiten, ein komplexes Problem zu lösen: Das Problem kann in einem einzigen Durchgang des Problemlösungsprozesses (Wasserfallstil) oder das Problem in Teilprobleme unterteilt und diese werden nacheinander (iterativ) gelöst.
"Der Wasserfallstil gliedert ein Projekt nach Aktivitäten. ... [Ein einjähriges Softwareprojekt] könnte also eine zweimonatige Analysephase haben, gefolgt von einer viermonatigen Designphase,
einer dreimonatigen Kodierungsphase und einer dreimonatigen Testphase.
Der iterative Stil gliedert ein Projekt in Teilbereiche der Funktionalität. ... In der ersten Iteration nimmt man ein Viertel der Anforderungen und führt den kompletten Software-Lebenszyklus für
dieses Viertel durch: Analyse, Design, Code und Test. Dann wird eine zweite Iteration durchgeführt, so dass man am Ende von 6 Monaten ein System hat, das die Hälfte der Funktionalität erfüllt.
Das ist natürlich eine vereinfachte Beschreibung ..." (Fowler, M. (2004) UML destilled. Addison-Wesley, Boston, S. 20)
"... wir verteidigen die Auffassung, dass die ... Behauptung (dass der zentrale Schwerpunkt der Ausbildung darin bestehen sollte, allgemeine Fähigkeiten wie kritisches Denken, Problemlösung, klinisches Denken und Reflexion zu vermitteln) tatsächlich ein Mythos ist. ... die Evidenz zeigt immer wieder, dass die Quintessenz von Fachkompetenz der Besitz eines großen, organisierten und abrufbaren Wissensschatzes ist, sowohl von formalem als auch von Erfahrungswissen und nicht irgendeine Art von allgemeinen Denkfähigkeiten." (Monteiro S, Sherbino J, Sibbald M, Norman G. Critical thinking, biases and dual processing: The enduring myth of generalisable skills. Med Educ. 2020;54(1), p. 66)
Niemand bstreitet, dass Fachwissen nicht an erster Stelle steht, aber es reicht alleine nicht aus, man muss Fachwissen auch anwenden können. Die Fähigkeit Kenntnisse (Wissen) anzuwenden, wird Kompetenz genannt.
Kompetenz bezeichnet "... die nachgewiesene Fähigkeit, Kenntnisse, Fertigkeiten sowie persönliche, soziale und methodische Fähigkeiten ... zu nutzen." (https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:32008H0506(01)&from=DE#d1e32-4-1, 07.11.21)
Das Verstehen des Problemlösungsprozesses ist eine "methodische Fähigkeit".
"Methodenkompetenz [bezeichnet die] Bereitschaft und Fähigkeit zu zielgerichtetem, planmäßigem Vorgehen bei der Bearbeitung von Aufgaben und Problemen (zum Beispiel bei der Planung der Arbeitsschritte)." (www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2021/2021_06_17-GEP-Handreichung.pdf, 07.11.21, S. 16)
Jeder Schritt des Problemlösungsprozesses erfordert ein großes Maß an Wissen mit Bezug auf das vorliegende Problem. Dabei ist es wichtig zu erkennen, ob Wissen fehlt. Meiner Erfahrung nach geben sich Menschen mit Problemlösungskompetenz mehr Mühe, das notwendige Wissen zusammenzutragen, weil sie eine optimale Lösung finden wollen und weil sie berücksichtigen, dass etwas schiefgehen könnte.
Wie kommt ein Expertin in den "Besitz eines großen, geordneten und abrufbaren Korpus an Erfahrungswissen" (so die Forderung der obigen Artikel)?
"Verstehen ist eine Frage des Transfers ... Um wirklich fähig zu sein, müssen wir in der Lage sein, das Gelernte auf neue und manchmal verwirrende Situationen zu übertragen. Die Fähigkeit unser Wissen und unsere Fertigkeiten effektiv zu übertragen beinhaltet, dass wir unser Wissen kreativ, flexibel und reibungslos in unterschiedlichen Umgebungen oder bei unterschiedlichen Problemen anwenden können." (Wiggins, G., & McTighe, J. (1998). Verstehen durch Gestaltung. Alexandria, VA: ASCD, S. 40)
Zu einem tiefen Verständnis von Wissen kommt man nur, wenn man es anwendet:
Wenn das Fachwissen nicht vollständig ist, wenn also notwendige Informationen fehlen, dann ist unsere Kreativität gefragt.
„Fachkompetenz umfasst alles, was eine Person auf dem weiten Gebiet ihrer Arbeit weiß und kann. ... Kreatives Denken bezieht sich ... auf die Art und Weise, wie Menschen an Probleme
und Lösungen herangehen - auf ihre Fähigkeit, vorhandene Ideen zu neuen Kombinationen zusammenzufügen. ...
Fachwissen und kreatives Denken sind das Rohmaterial eines Menschen - seine natürlichen Ressourcen, wenn man so will. Aber ein dritter Faktor - die Motivation - bestimmt, was die Leute
tatsächlich tun." (Amabile, T. M. (1998). ‘How to kill creativity’. Harvard Business Review, Sept/Oct, S. 78,79)
Kreativität ist die Fähigkeit, auf der Grundlage von wenigen Informationen neue Ideen zu haben, die nützlich sind. Um kreativ werden zu können, benötigen wir einen Möglichkeitssinn und logisches Denkvermögen (siehe auf Learn-Study-Work "kreativ werden").
Learn-Study-Work ist keine politische Website. Daher ist dies nur ein Beispiel für die Anwendung der ersten Schritte des Problemlösungsprozesses.
Erster Schritt: Das Problem erkennen
Am Anfang haben die Menschen nicht bemerkt, dass die Industrialisierung den Klimawandel verursacht. Dann erkannten sie, dass der Klimawandel eine Bedrohung für die Erde sein kann.
Zweiter Schritt: Das Problem verstehen
Die Menschen untersuchten den Klimawandel und verstanden, dass der Klimawandel eine "unbefriedigende Situation" ist, weil dadurch Gletscher und Meereis schmelzen, der Meeresspiegel ansteigt, mehr
Überschwemmungen und Dürren auftreten, Hurrikane und andere Stürme stärker werden, Arten aussterben und sich einige Krankheiten durch Wanderung ausbreiten können.
Dritter Schritt: Das Ziel festlegen
Ein mögliches Ziel ist, den Klimawandel zu stoppen, indem die Menge an Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen in der Atmosphäre verringert wird.
Vierter Schritt: Ideen für die Lösung des Problems finden
Nach dem Verstehen der Situation, der Hindernisse und des Ziels, muss man über mögliche Lösungen nachdenken, wie man die Hindernisse überwinden und das Ziel erreichen kann. Hier ist eine Liste
von möglichen Strategien (eine Strategie ist ein langfristiger Plan):
*) "Wirtschaftliche Macht benutzen" bedeutet, grüne Produkte und Dienstleistungen zu kaufen und in "grüne" Unternehmen zu investieren.
Jeder muss für sich selbst entscheiden, welche dieser alternativen Strategien wirksam ist und mit seinen Werten übereinstimmt. Wahrscheinlich wird nur eine Kombination verschiedener Strategien zur Lösung des Problems des Klimawandels führen. Vielleicht sind Sie kreativ und finden weitere Strategien.
Gehen Sie zu den weiteren Schritten des Problemlösungsprozesses:
"Probleme erkennen", "Situationen/Systeme analysieren", "Ziele setzen", "Kreativ werden"
Lesen Sie auf Learn-Study-Work auch: "Wie lernen", "Aktives Lernen", "Was ist Gesundheit", "Was ist ein gesunder Lebensstil", "Was ist Wissenschaft", "Einen guten Text schreiben", "Was ist Literatur", die "Gliederung" und "Einleitung" einer Bachelor- oder Masterarbeit
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