Kernaussage:
Stochastik ist die "Kunst des Vermutens" oder die "Mathematik des Zufalls". Wenn es eine klare Regel gibt, lässt sich ein Ereignis (und seine Eigenschaften) vorhersagen/berechnen. Gibt eine solche Regel nicht, dann spielt der Zufall eine Rolle und das Eintreten des Ereignisses lässt sich nur vermuten. Mit der Stochastik lässt sich die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten eines Ereignisses berechnen. Zur Stochastik gehören als Hauptgebiete die Wahrscheinlichkeitstheorie und die Statistik.
Ist die Häufigkeit eines Merkmals in einer Grundmenge (Grundgesamtheit) bekannt, dann kann mit der Wahrscheinlichkeitstheorie die Häufigkeit des Merkmals in einem Zufallsexperiment oder einer Stichprobe berechnet werden. Die Statistik versucht umgekehrt aus der Häufigkeit eines Merkmals in einer Stichprobe auf die Häufigkeit in der Grundgesamtheit zu schlussfolgern.
Beispiel:
Wenn ich eine Münze werfe, dann weiß ich, dass bei einer großen Anzahl von Versuchen die Wahrscheinlichkeit für Kopf bei ungefähr 50 % liegen wird (nur ungefähr, weil das Ergebnis vom Zufall beeinflusst wird).
Wenn bei einer gut gewählten Stichprobe die Zustimmung für eine Partei bei 20 % liegt, dann kann darauf geschlossen werden, dass bei einer folgenden Wahl ca. 20 % der Wähler für diese Partei stimmen werden.
Die Stochastik untersucht Zufallsexperimente, um festzustellen, wie die Wahrscheinlichkeit für ein gewünschtes Versuchsereignis berechnet werden kann.
Die Wahrscheinlichkeit ist ein Maß dafür, wie sicher (oder unsicher) ein Ereignis eintritt, welches vom Zufall abhängt. P(A) ist die Wahrscheinlichkeit P für ein Ereignis A. Sie liegt zwischen 0 und 1.
P(A) = 0 - Das Ereignis A tritt mit 100 %iger Sicherheit nicht ein.
P(A) = 1 - Das Ereignis A tritt mit 100 %iger Sicherheit ein.
P(A) = 0,5 - Die Wahrscheinlichkeit, dass das Ereignis A eintritt, ist genauso groß wie die Wahrscheinlichkeit, dass es nicht eintritt.
Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Ereignis A nicht eintritt, wird Gegenwahrscheinlichkeit P(Ā) genannt: P(Ā) = 1 - P(A)
Beispiel: Ist P(A) = 0,6 , dann ist die Gegenwahrscheinlichkeit P(Ā)= 1 - 0,6 = 0,4 .
Ein Zufallsexperiment ist ein "Vorgang oder Versuch, der exakt festgelegte Bedingungen besitzt und unter diesen gleichen Bedingungen (im Prinzip) unendlich oft wiederholbar ist. Dabei sind zwar die möglichen Ausgänge bekannt, der Ausgang einer konkreten Durchführung des Zufallsexperiments ist jedoch nicht vorhersehbar." (https://statsbyrandolph.psychologie.uni-bremen.de/Statistik_I/statistik_I_teil_8-9.html, 10.05.25)
Jedes Zufallsexperiment besitzt also eine Menge möglicher Versuchsausgänge (ein Versuchausgang wird auch als Versuchsergebnis oder Elementarereignis bezeichnet). Die Menge aller
Versuchsergebnisse wird Ergebnismenge (oder Ergebnisraum) Ω genannt.
In der Wahrscheinlichkeitsrechnung wird zwischen "Ergebnissen" und "Ereignissen" unterschieden. Was ein Ereignis ist, wird vor dem Zufallsexperiment festgelegt (es kann sich dabei um ein gewünschtes Ereignis handeln). So können wir z. B. beim Würfeln festlegen "Ich möchte eine 6 würfeln" oder "ich möchte eine gerade Zahl würfeln":
Bei dem Wunsch "eine 6 würfeln" wäre die Ergebnismenge Ω = {1; 2; 3; 4; 5; 6} und die festgelegte Ereignismenge E = {6}.
Beim Würfelversuch "eine gerade Zahl würfeln" wäre die Ergebnismenge Ω = {1; 2; 3; 4; 5; 6} und die Ereignismenge E = {2; 4; 6}.
Was ein Ergebnis ist, hängt davon ab, um welchen Versuch es sich handelt (um das Würfeln, um das Ziehen einer Kugel aus einer Urne oder ...) und welche Eigenschaften der Elemente betrachtet werden sollen (z. B. können Kugeln mehrere unterschiedliche Eigenschaften haben: es kann verschiedenfarbige Kugeln geben, von denen einige groß und andere klein sind).
Die Unterscheidung zwischen Versuchsereignis und Versuchsergebnis ist sinnvoll, weil ein festgelegtes Versuchsereignis aus mehreren Versuchsergebnissen bestehen kann: Wenn wir mit einem Würfel einmal würfeln und unser festgelegtes Ereignis ist "eine gerade Zahl" zu würfeln, dann tritt unser Ereignis durch die Versuchsergebnisse 2, 4 und 6 ein. Die Ereignismenge E besteht also aus den Ergebnissen, durch die das festgelegte Ereignis eintritt.
Bei der Wahl der Ergebnismenge muss beachtet werden, dass das Ereignis eine Teilmenge der Ergebnismenge ist und dass eindeutig zu bestimmen ist, ob das gewünschte Ereignis eingetreten ist. Wäre
bei einem Würfelversuch das Ereignis "ich möchte eine 6 würfeln" und würde bei der Ergebnismenge nur unterschieden zwischen Ω =
{kleiner gleich 4; größer 4},
dann wäre es nicht möglich das Würfeln einer 6 von einer 5 zu unterscheiden (beide sind größer als 4).
Die Formel für das Berechnen der Wahrscheinlichkeit P eines gewünschtes Ereignisses A sieht bei einem Laplace-Experiment so aus:
Diese Formel gilt nur für Laplace-Experimente. Bei einem Laplace-Experiment hat jedes Element der Ergebnismenge die gleiche Wahrscheinlichkeit, das Ergebnis zu sein (jeder Versuchsausgang ist gleich wahrscheinlich). Wikipedia sagt das so: Die obige Formel gilt, wenn ein Zufallsexperiment nur endlich viele Ergebnisse hat und diese alle die gleiche Wahrscheinlichkeit haben (siehe (https://de.wikipedia.org/wiki/Laplace-Formel, 02.04.23).
Vereinfachter Merksatz für die Berechnung der Wahrscheinlichkeit bei einem Laplace-Experiment: Die Wahrscheinlichkeit eines festgelegten Ereignisses = Anzahl der günstigen Fälle / Anzahl der möglichen Fälle (siehe www.mathe-online.at/mathint/wstat1/i.html#1, bei (4)).
Beispiel: Bei einem "fairen" Würfel (einem Laplace-Würfel) hat jede Zahl A die gleiche Wahrscheinlichkeit gewürfelt zu werden: P(A) = 1/Anzahl der möglichen Ergebnisse = 1/6.
Bei Experimenten, die keine Laplace-Experimente sind, muss kann man durch möglichst häufiges Durchführen dieses Experimentes eine Wahrscheinlichkeit schätzen. Dafür wird die relative Häufigkeit (s. u.) benutzt. Das "Gesetz der großen Zahlen" sagt, dass bei der Ausführung von sehr vielen Experimenten, die relativen Häufigkeiten der Ereignisse den tatsächlichen Häufigkeiten immer näher kommen.
Dies entspreicht der Definition von Wahrscheilichkeit: Die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses ist die relative Häufigkeit seines Entretens für eine gegen unendlich strebende Anzahl n von Durchführungen des betreffenden Zufallexperiments (siehe www.mathe-online.at/mathint/wstat1/i.html#1, bei (3)).
Beispiel: Wenn wir 1000-mal eine Münze werfen, dann werden die relativen Häufigkeiten von Kopf und Zahl ziemlich nah bei 0,5 liegen.
In unserem täglichen Leben ist es von Vorteil, wenn wir bei einer Entscheidung zwischen mehreren Möglichkeiten die Wahrscheinlichkeit abschätzen können, mit der jede Möglichkeiten für uns zum Erfolg führt. Drei Fälle sind denkbar:
Ein Beispiel für den 3. Fall: Ich möchte mit dem Zug von A nach B fahren und muss dazu in C umsteigen. Der Zug von A nach C ist der Erfahrung nach zu 90 % pünktlich, so dass ich mit dieser Wahrscheinlichkeit den Anschlusszug von C nach B erreichen werde. Wenn es sich aber um den letzten Zug des Tages handelt, dann muss ich in C übernachten, wenn ich den Zug von C nach B verpasse. Dieses Risiko möchte ich nicht eingehen.
Die absolute Häufigkeit gibt an wie oft ein Objekt oder ein Ereignis in einer Grundmenge vorkommt. Sie gibt die Anzahl an, wie viele Elemente mit dem gleichen Merkmal in der Grundmenge gezählt wurden. Die absolute Häufigkeit ist also eine natürliche Zahl (siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Absolute_H%C3%A4ufigkeit, 09.05.25).
Bei der Angabe der absoluten Häufigkeit muss immer die Grundmenge mit angegeben werden, auf die sie sich bezieht. Will man die Häufigkeit in unterschiedlichen Grundmenge miteinander vergleichen, muss man aus der absoluten Häufigkeit des Merkmals H(A) und der Grundmenge n die relative Häufigkeit h(A) berechnen:
h(A) = H(A) / n
Ein Baumdiagramm visualisiert die möglichen Ergebnisse bei einem (mehrstufigen) Zufallsexperiment. Bei jeder Stufe zeigen die Verzweigungen, welche Ergebnisse möglich sind. Jeder Zweig führt also zu einem möglichen Ergebnis (siehe das Bild unten). An jeden Zweig wird die Wahscheinlichkeit für diesen Zweig eingetragen. Alle Zweige vom Start bis zum Endergebnis zusammen heißen Pfad.
Für die Berechnungen der Wahrscheinlichkeit von Ereignissen mit einem Baumdiagramm gelten 4 Regeln:
Pfadregel (Multiplikationsregel): Die Wahrscheinlichkeit für ein Endergebnis eines Pfades kann berechnet werden, indem die Wahrscheinlichkeiten entlang des Pfades miteinander multipliziert werden.
Summenregel: Die Summe aller Ergebniswahrscheinlichkeiten bei jeder Stufe eines Zufallsexperiments (bei jeder "Ziehung") und auch die Summe der finalen Ergebniswahrscheinlichkeiten ist 1.
Additionsregel: Die Wahrscheinlichkeiten aller Ergebnisse (aller Pfade), durch die ein gewünschtes Ergebnis eintritt, werden addiert, um die Wahrscheinlichkeit für das Ereignis zu erhalten, welches durch diese Ergebnisse eintritt.
Gegenwahrscheinlichkeit: Die Gegenwahrscheinlichkeit eines Ergebnisses und eines Ereignisses lässt sich berechnen, in dem von 1 die Wahrscheinlichkeit des Ergebnises bzw. des Ereignisses abgezogen wird.
Bei mehrstufigen Zufallsexperimenten zeigt das Baumdiagramm, dass bei jeder Stufe die Anzahl der möglichen Ergebnisse zunimmt. Deshalb nimmt bei jeder Stufe die Wahrscheinlichkeit für ein Ereignis A entsprechend der Formel unten ab (weil der Nenner größer wird):
In dem obigen Baumdiagramm sieht man die 25 möglichen Ergebnisse nicht, weil es sich um ein zusammengefasstes Diagramm handelt. Die richtige Laplace-Darstellung würde so aussehen (man könnte zwischen den beiden grünen und roten Kugeln unterscheiden): Die Wahrscheinlichkeit gezogen zu werden ist für jede Kugel 1/25.
Mehrstufige Zufallsexperimente können auch aus verschiedenartigen Experimenten zusammengesetzt sein: zuerst das Ziehen aus einer Urne, dann das Werfen einer Münze.
Beim Ziehen ohne Zurücklegen muss man berücksichtigen, dass sich die Anzahl der Elemente bei jeder Ziehung (jeder Stufe) um 1 veringert.
Beispiel: Berechne mit dem obigen Baumdiagramm die Wahrscheinlichkeit für das Ereignis "mindestens eine rote Kugel und Zahl".
Dieses Ergebnis tritt ein durch die Ergebnissmenge {brz; grz; rbz; rgz; rrz}.
P (mindestens eine rote Kugel und Zahl) = P(brz) + P(grz) + P(rbz) + P(rgz) + P(rrz) = 1/20 + 1/10 + 1/20 + 1/10 + 1/20 = 7/20
Das Gegenereignis wäre "keine rote Kugel oder keine Zahl":
P(keine rote Kugel oder keine Zahl) = P(bgk) + P(bgz) + P(brk) + P(gbk) + P(gbz) + P(ggk) + P(ggz) + P(grk) + P(rbk) + P(rgk) + P(rrk) = 1/20 + 1/20 + 1/20 + 1/20 + 1/20 + 1/20 + 1/20 + 1/10 + 1/20 + 1/10 + 1/20 = 13/20 = 1 ̶ 7/20
Die mathematischen (logischen) "und" und "oder" verknüpfen Aussagen. Bei einer und-Verknüpfung (A∧B) müssen alle Aussagen wahr sein, damit die Verknüpfung wahr ist. Bei einer oder-Verknüpfung (A∨B) muss mindestens eine Aussage wahr sein (d. h. auch beide können wahr sein), damit die Verknüpfung wahr ist. Bei der Wahrscheinlichkeitsrechnung geht es ja um Ergebnismengen, durch die ein Ereignis eintritt. Hier bedeutet ein "und" (A∩B), dass ein Ereignis nur durch Ergebnisse eintritt, die gleichzeitig in beiden Ergebnismengen vorhanden sind. Ein "oder" (A∪B) bedeutet, dass ein Ereignis eintritt durch ein Ergebnisse, dass in einer der beiden oder auch in beiden Ergebnismengen vorhanden sind.
Achtung: Bei der oder-Verknüpfung dürfen die Wahrscheinlichkeiten für Ereignisse nur dann einfach addiert werden, wenn sie keine gemeinsamen Ergebnisse haben, durch die sie eintreten. Beispiel: Mit einem Würfel wird einmal gewürfelt.
Wie große ist die Wahrscheinlichkeit, dass A das "Ergebnis größer als 2" oder B
"gerade" ist? A tritt ein durch die Ergebnisse
{3; 4; 5; 6},
die Wahrscheinlichkeit ist P(A) = 4/6. B tritt ein durch die Ergebnisse
{2; 4; 6}
, die Wahrscheinlichkeit ist P(B) = 1/2. Würde man jetzt diese beiden Wahrscheinlichkeiten einfach addieren, dann wäre die Wahrscheinlichkeit für die Ergebnisse
{4; 6}
doppelt berücksichtigt. Das sieht man in diesem Beispiel auch daran, dass die Wahrscheinlichkeit dann größer als 1 wäre (4/6 + 1/2 = 7/6). Bei einer oder-Verknüpfung muss deshalb die
Wahrscheinlichkeit für gemeinsame Ergebnisse (hier P(4;6) = 1/3) einmal abgezogen werden:
P (Ergebnis größer als 2 oder Ergebnis gerade) = 4/6 + 3/6 – 2/6 = 5/6
Oder-Verknüpfung mit keinen gemeinsamen
Ergebnissen: P(A∪B) = P(A) + P(B) ,
mit gemeinsamen Ergebnissen: P(A∪B) = P(A) + P(B) − P(A∩B)
Schlussfolgerung: Bei einem Laplace-Experiment (alle möglichen Ergebnisse haben die gleich Wahrscheinlichkeit) tritt ein Ereignis ein, wenn es zu einem Ergebnis kommt, dass in der Ereignismenge E enthalten ist.